Wer jetzt sagt, dass er bestimmt nicht in einer Simulation lebt, weil
sich alles so echt anfühlt, der übersieht natürlich, dass eine
Simulation vom Original nicht zu unterscheiden ist, zumindest wenn sie
gut gemacht ist. Und vor allem, wenn wir wirklich nur vom Computer
erschaffene Objekte sind, dann kennen wir das ja auch gar nicht anders
und können allein deshalb wohl kaum Unterschiede zu einer Originalwelt
entdecken.
Ob ich also in einer echten Welt lebe oder alles nur eine digitale
Simulation ist, ist grundsätzlich unentscheidbar. So und nun kommt zur
Matrizenrechnung noch der mathematische Overkill, das, was mir damals
in der Schule immer den Rest gegeben hat, jetzt kommt noch die
Wahrscheinlichkeitsrechnung dazu. Oje.
Der philosophische Brite geht jetzt davon aus, dass jede Zivilisation
bei kontinuierlichem Fortschritt irgendwann die digitale Technik
entdeckt. Dann stellt man naturgemäß erst mal das Telefonnetz darauf
um, danach verbessert man die Computer immer weiter und überlegt nach
dem tausendsten Tetris-Klon, was man denn nun noch programmieren
könnte. Irgendwann simuliert man Zivilisationen. Die erste Welle an
entsprechenden Spielen haben wir ja längst hinter uns. Wer kennt nicht
"Sim City" oder "Die Siedler"? Das sind sozusagen primitive
Matrix-Ansätze. Irgendwann werden die Rechner schnell genug, um eben
eine Welt wie die unsere dann doch in allen Einzelheiten simulieren zu
können.
Dieser Nick Bostrom denkt nun offenbar, dass, wenn man es tun kann, man
es auch irgendwann tut. Und wenn es nur dazu wäre, um mehr über seine
Urahnen und vergangene Zeiten zu erfahren. Dann simuliert man das
Mittelalter halt und schaut zu. Und da in 500 Jahren vermutlich jeder
einen Superrechner unterm Tisch stehen hat und eine nahezu perfekte
"Welt-Simulation" als Bildschirmschoner mal so nebenbei läuft, gibt es
statistisch dann bestimmt viel, viel mehr Kopien als das eine Original.
Insofern ist also leicht einsehbar, dass die Chancen für uns, jetzt
ausgerechnet das eine Original der Weltgeschichte zu sein, eher gering
sind. So zumindest verstehe ich seine Argumentation und finde sie gar
nicht mal so unlogisch.
Aber keine Angst, Philosophen, die denken, beißen nicht. Natürlich ist
wie immer die praktische Relevanz einer philosophischen Theorie
geringer als ihre Verständlichkeit, und das will was heißen. Aus der
Erkenntnis, dass wir alle höchstwahrscheinlich nur Teil einer Matrix
sind, folgt konkret erst mal gar nix. Einfach so weiter machen wie
bisher. Genau wie Neo zunächst unschuldig tun als wenn nichts wäre. Was
kann uns schon passieren? Solange die Simulation nicht abgeschaltet
wird. Na gut, sie könnte auch durch einen Bluescreen abrupt beendet
werden. Hoffen wir, dass wir auf Linux oder einem anderen richtigen
Betriebssystem laufen und nicht unter Windows. Aber solange die
Simulation einigermaßen gut ist, kann es uns ja ansonsten egal sein, ob
wir echt oder nur virtuell sind.
Aber wenn ich so an den Film "Die Matrix" denke, fällt mir natürlich
doch ein Unterschied ein. Im Original kann man naturgemäß nicht mogeln.
Aber in einer Simulation könnte ein Neo ja irgendwie lernen, die
Simulation zu beeinflussen, die Regeln zu verbiegen, um dann vielleicht
sogar spektakulärerweise zu fliegen. Das nennt man dann wohl Exception
Handling. Man bringt das System dazu, bei den programmierten Regeln und
Gesetzen eine Ausnahme zu machen im Fall der eigenen Person. Und wer
weiß, vielleicht war Jesus damals vor 2000 Jahren durch einen Zufall
auch drauf gekommen und seine "Walking on Water"- und "Wasser zu
Wein"-Tricks lassen sich im Rahmen einer Simulation möglicherweise sehr
nüchtern und digital erklären.
Sollten die Wunder in der Bibel also doch nur kleine Unregelmäßigkeiten
in der Weltsimulation sein? Hummeln, so sagt man ja, sind eigentlich zu
schwer zum Fliegen. Ist das auch so ein kleiner Programmierfehler in
der Matrix? Trägt unsere Simulation vielleicht nur die Versionsnummer
0.91 Beta und war damals die Sintflut wirklich ein Bugfix mit Reset? Na
schön, ich weiß, wenn dies eine einigermaßen gute Simulation ist, hat
es keinen Zweck, solche Fragen zu stellen. Wir werden es nie erfahren.
Aber vielleicht schadet es ja nicht, wenn ich mir in Zukunft als
Programmierer mehr Gedanken mache, was ein "new Object();" so alles
bedeuten kann. Die Geburt eines Objektes, wenn auch nur primitiv und
eher kurzlebig, aber immerhin. Und die eingangs versprochene
Schwindeligkeit ereilt mich spätestens da, wo ich mir vorstelle, dass
in einer Welt-Simulation ja auch die Programmierung von Simulationen
simuliert wird. Es wäre also zusätzlich zu klären, in welcher
Rekursionstiefe wir eigentlich gerade stecken. Vielleicht ist diese die
Simulation, die in einer Simulation läuft, welche in einer Simulation
läuft und so weiter.
Für alle jene, die immer noch nicht so recht glauben können, dass es britische Philosophen gibt, sei hier auf den Artikel
verwiesen, dem ich das Thema entnommen hatte. Und allen jenen, die
längst entdeckt haben, wie man die Matrix manipuliert und die ihren
Wein seit langem sparsam dem Wasserhahn entnehmen und dann umwandeln,
möchte ich neidvoll herzlich gratulieren. Willkommen in der Matrix und
wohl bekomm's!
Dieser Artikel wurde mit Genehmigung des Autors veröffentlicht und wurde hier erstveröffentlicht.